Die Arbeiten im Forschungscampus M²OLIE

Das Großvorhaben M²OLIE (Mannheim Molecular Intervention Environment) wird seit 2013 im Rahmen des BMFTR-Förderprogramms „Forschungscampus – öffentlich-private Partnerschaft für Innovationen“ unterstützt. Ziel ist die Etablierung eines optimierten und schonenden Behandlungspfads für Krebspatient:innen mit Oligometastasen und die Überführung der Ergebnisse in die klinische Praxis.

Die Zahl der Krebspatient:innen wird weltweit und auch in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich deutlich ansteigen. Laut einer Schätzung der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) könnte sich die Anzahl neuer Krebserkrankungen bis 2040 weltweit auf etwa 30 Millionen erhöhen – ein Anstieg von 47 % im Vergleich zu 2020. In Deutschland prognostizieren die Deutsche Krebsgesellschaft und das Robert Koch-Institut (RKI) eine Zunahme der Krebserkrankungen um rund 10 % bis 15 % bis 2030. Zusätzlich zur Zunahme der Krebserkrankungen wird auch eine Steigerung der Todesfälle durch Krebs erwartet. Weltweit rechnet die IARC damit, dass bis 2040 jährlich etwa 16 Millionen Menschen an Krebs sterben könnten – ein Anstieg von rund 40 % im Vergleich zu 2020. In Deutschland gehen Expert:innen von einer ähnlichen Entwicklung aus: Laut dem RKI wird die Zahl der krebsbedingten Todesfälle bis 2030 voraussichtlich um etwa 10 % bis 12 % steigen.

Bei dem Patientenkollektiv im Rahmen von M²OLIE ist der Primärtumor kontrollierbar, zusätzlich liegen jedoch bis zu fünf Metastasen in einem Organ (z. B. der Leber) vor. Bei bis zu 70 % aller Krebspatient:innen sind Metastasen die Haupttodesursache. So sind Lebermetastasen häufiger als primäre Lebertumoren und außerdem im Vergleich zu Metastasen an anderen Stellen oft mit einer schlechten Prognose verbunden: Etwa 30 % bis 70 % der Krebspatient:innen sterben aufgrund von Lebermetastasen. Lebermetastasen treten häufig bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen auf, besonders bei Kolorektalem Karzinom (40 % – 50 %), bei Brustkrebs (50 % – 70%), bei Lungenkrebs (13 % – 33 %), bei Bauchspeicheldrüsenkrebs (> 40 %) und bei Magenkrebs (bis zu 34 %). Sie entstehen aufgrund der guten Blutversorgung der Leber und der Fähigkeit von Tumoren, über den Blutkreislauf zu streuen.

Aktuell werden Patienten mit Oligometastasen überwiegend palliativ behandelt. Eine molekulare Analyse aller Metastasen eines Patienten findet trotz des Wissens um die Tumorheterogenität (Unterschiede auf molekulargenetischer Ebene) nur selten statt. Die einzelnen Schritte des üblichen Behandlungsablaufs bei diesen Patienten mit u. a. rein manuell assistierter Biopsie, histologischer Analyse und Befundung einer Metastase und Therapieentscheidung im höchstens einmal pro Woche tagenden Tumorboard mit anschließendem stationärem Aufenthalt verteilen sich auf mehrere Wochen oder sogar Monate. Hier setzt das Konzept des Closed-Loop-Prozesses von M²OLIE zur kurativen Therapie dieser Krebserkrankung an.


Im Zentrum der Arbeiten des Forschungscampus M²OLIE steht der Closed-Loop-Prozess. Dieser verknüpft Diagnostik, Therapie und molekulare Analyse in einem durchgängigen, optimierten Ablauf. Patient:innen mit Oligometastasen erhalten so eine individualisierte, minimalinvasive Behandlung aller Tumorherde innerhalb eines kompakten Zeitraums. Dabei werden modernste Bildgebung, robotergestützte Interventionen, Labordiagnostik und Fallbesprechungen im Tumorboard eng miteinander verzahnt, um Präzision und Effizienz deutlich zu steigern.

Die Public-Private-Partnership mit aktuell 25 Partnern bringt die notwendige interdisziplinäre Expertise unter dem Dach des Universitätsklinikums Mannheim zusammen. Die langfristige Förderung vom BMFTR von 15 Jahren ermöglicht die Umsetzung einer komplexen, ganzheitlichen Vision.

Der Closed-Loop-Prozess von M²OLIE startet mit der Patientenaufnahme (oben links) und der Erstellung der elektronischen M²OLIE-Patientenakte. Es folgt die elektronische Patientenaufklärung inkl. digitaler Unterschrift und eine Übernahme durch die automatisierte Prozesssteuerung mit iterativem Durchlaufen von verschiedenen Behandlungsabschnitten: multimodale (prä-)interventionelle Bildgebung, Roboter assistierte Biopsie, Biopsieanalyse mittels modernster Massenspektrometrie. Auf Basis der umfassenden Diagnostik entscheidet das Ad-hoc-Tumorboard (oben Mitte), welche minimalinvasive Therapie (also Chirurgie, interventionelle Radiologie, Strahlentherapie, Radiopharmazie, siehe unten Mitte) durchgeführt werden soll. Nach dieser individualisierten Therapie von jeder Metastase verlässt der Patient oder die Patientin den Closed-Loop mit oder ohne nachfolgender medikamentöser Tumortherapie (oben rechts). Eine engmaschige Nachsorge, um ein erneutes Auftreten von Metastasen rechtzeitig zu erkennen, ist selbstverständlich. Die blaue Fläche symbolisiert den Data Lake, in dem alle Daten gespeichert, verarbeitet und bei Bedarf zur Verfügung gestellt werden.



Grafik: Der M²OLIE Closed-Loop-Prozess


Die Förderphasen

1. Förderphase (2013-2018)

In der ersten Förderphase lag der Fokus auf dem Aufbau der technologischen und methodischen Grundlagen für den M²OLIE Closed-Loop-Prozess. Ziel war es, die einzelnen Schritte von Diagnose, Biopsie und Therapie präzise zu erforschen und zu verknüpfen. Die Verbundprojekte M²IBID, M²INT, M²oBiTE sowie die Querschnittsprojekte ProM²OLIE und M²PROCIT erforschten dabei die Basis für den zeitoptimierten Behandlungspfad.
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2. Förderphase (2019-2024)

Die zweite Förderphase konzentrierte sich auf die Integration der Einzelschritte zu einem durchgängigen Workflow, der als sogenannter Basisprozess bis zur Biopsie evaluiert wurde. Grundlage bildeten die Verbundprojekte M²IBID (Bildgebung und molekulare Analyse), M²INT (Automatisierung und Roboterassistenz) und M²DATA (Datenversorgungsprozess).
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3. Förderphase (2024-heute)

In der dritten und letzten Förderphase wird der evaluierte Basisprozess aus der zweiten Phase zu einem umfassenden M²OLIE-Closed-Loop-Prozess komplettiert. In vier Modulen wird der Workflow noch weiter optimiert (M²OLIE-Operational Platform, M²OLIE-Interventional Platform, M²OLIE-Labor, M²OLIE-Tumorboard). Die Ergebnisse dieser Module bilden die Grundlage für die angestrebte M²OLIE-Klinik und den Transfer in die klinische Praxis.
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